Das Projekt der Lithiummine Jadar wird als die größte ausländische Investition in Serbien gepriesen. Mit dem Rohstoff könne man Batterien für eine Million Elektroautos pro Jahr produzieren, gab die Unternehmens-PR von Rio Tinto kürzlich bekannt. Rio Tinto hat in Serbien bereits viel Geld ausgegeben, um das Lithium abzubauen. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat allerdings vergangenes Jahr der Lithium-Mine eine Absage erteilt, nachdem Zehntausende dagegen protestiert hatten. Viele Bürgerinnen und Bürger in Serbien haben nämlich die Sorge, die Mine könne schwere Umweltschäden verursachen. Vučić meint seither immer wieder, dass er seine Entscheidung gegen die Ausbeutung der Lithium-Mine bereue. Und das Interesse an dem Rohstoff bleibt ebenfalls riesengroß.

Denn Lithium braucht man vor allem für Elektroautos, die Deutschland produziert. Während ihrer Abschiedsreise nach Serbien vor genau zwei Jahren sagte die damalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vučić: "Wenn die ganze Welt interessiert ist, sind wir auch interessiert ... Wir haben eine große Anzahl von Investitionen in die Automobilbranche." Aus einem Dokument der serbischen Mission bei der Europäischen Union geht laut der Zeitung Le Monde Diplomatique hervor, dass Rio Tinto Kontakte zu drei großen deutschen Automobilkonzernen geknüpft hat: Daimler, Volkswagen und BMW.

Aleksandar Vučić hat der Lithium-Mine eine Absage erteilt
Aleksandar Vučić hat der Lithiummine eine Absage erteilt
EPA/ANDREJ CUKIC

"Institutionelle Partnerschaft"

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Serbien wurden in der Ära Merkel ohnehin intensiviert. Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und das Präsidialamt von Vučić beschlossen im August 2020 eine "institutionelle Partnerschaft zur Stärkung der Entwicklung der industriepolitischen Strategie Serbiens gemäß dem EU Green Deal und gleichzeitiger Stärkung der jeweiligen Lieferketten".

Konkret geht es dabei, um die Förderung der "Einbindung serbischer Unternehmen und Bildungseinrichtungen in die Lieferkette der deutschen Wirtschaft", die „Positionierung Serbiens als nachhaltiger Investitionsstandort für Forschung und Entwicklung sowie industrielle High-Tech-Projekte" und die "Einbindung der serbischen Wirtschaft in EU-Green-Deal-Projekte und Integration der serbischen Wirtschaft in die EU".

Rio Tinto würde in Serbien gerne Lithium fördern
Rio Tinto würde in Serbien gerne Lithium fördern
REUTERS

Eigenes Büro

Der deutsche Beitrag zu der Partnerschaft umfasst aber auch die langfristige Entsendung eines deutschen Experten. Dieser Mann, Jörg Heeskens war schon zuvor lange Zeit Berater von Vučić, etwa als dieser noch Premierminister war. Das Präsidialbüro von Vučić stellte aufgrund des deutsch-serbischen Abkommens dann ab 2020 Herrn Heeskens sogar einen eigenen Büroraum im Präsidialgebäude, unweit des Büro von Präsident Vučić zur Verfügung. Unterschrieben hat die Erklärung, damals Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Auffällig ist, dass das Dokument zur Wirtschaftspartnerschaft aber nicht von beiden Ministerien für Wirtschaft, sondern von Altmaier und dem serbischen Präsidenten vereinbart wurde, so als ob der serbische Präsident für Wirtschaftsabkommen zuständig wäre.

Verwaltungspartnerschaft

In dem autokratisch regierten Serbien läuft tatsächlich vieles in den Händen von Vučić zusammen. In einem Bericht des Europarats wird allerdings eine Stellungnahme zitiert, wonach die serbischen Behörden den Präsidenten nicht als Person mit Exekutivfunktionen betrachten. Es bleibt demnach unklar, weshalb der Präsident die Erklärung zur Wirtschaftspartnerschaft mit Deutschland unterzeichnete - denn dies stellt ein exekutives Vorgehen dar. Auf Nachfrage des STANDARD gab es zu diesem Umstand keine Erklärung.

DER STANDARD hat in zahlreichen Anfragen an das deutsche Wirtschaftsministerium wiederholt seit Mai die Frage gestellt, auf welcher Grundlage Heeskens im Präsidialbüro von Vučić tätig ist. Auf die zahlreichen Anfragen hat der STANDARD allerdings über Monate hinweg vom Wirtschaftsministerium keinerlei Antwort bekommen. Deshalb hat sich der STANDARD dazu entschlossen, nach dem Informationsfreiheitsgesetz eine Auskunft durchzusetzen.

In dieser Auskunft heißt es, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das serbische Präsidialamt am 25. August 2020 die Initiierung einer Verwaltungspartnerschaft vereinbart hätten. Dazu sei die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beauftragt worden. Heeskens arbeite also im Auftrag der GIZ.

Mit dem Rohstoff könnte man Batterien für eine Million Elektroautos pro Jahr produzieren
Mit dem Rohstoff könnte man Batterien für eine Million Elektroautos pro Jahr produzieren
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"Keine Maßnahmen ergriffen"

Eine weitere Frage des STANDARD bezog sich darauf, welche Maßnahmen das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft (BMWK) ergriff, nachdem bekannt wurde, dass deutsche Unternehmen wie Lidl in Serbien in Medien schalten, die auch Kreml-Propaganda betreiben. Die Antwort des Ministeriums war: "Das BMWK hat die Berichterstattung zur Kenntnis genommen. Es wurden keine Maßnahmen ergriffen." Offenbar ist es der deutschen Regierung also kein Problem, dass mit deutschen Unternehmensgeldern Medien mit antiwestlichen Kreml-Lobhudeleien unterstützt werden, zumindest will man dagegen nichts machen.

Zuletzt hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) dem STANDARD über die Kooperation mit Serbien schließlich doch über die Pressestelle folgende Antwort übermittelt: „Es handelt sich unter anderem um Beratung des serbischen Präsidialamts zur Ansiedlung von Industrie und Erschließung von Produktionsstandorten in unterschiedlichen Industriebereichen - unter anderem Sanitärarmaturen, Industriewaagen und Automobilzulieferer.

Die Nachfrage, ob auch die Lithium-Exploration bei der Wirtschaftskooperation eine Rolle spiele, hat das Ministerium nicht beantwortet. Diesen Jänner wurde die Partnerschaft zwischen Serbien und Deutschland übrigens bis Ende 2024 verlängert. Doch nicht nur Deutschland, sondern auch Österreich pflegt enge wirtschaftliche Kontakte zu Serbien, vor allem Ex-Außenminister und Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat dies gefördert. Am 26. Februar 2014 wurde in Belgrad, im Beisein vom damaligen Außenminister Kurz und dem damaligen Vize-Premier Aleksandar Vučić, der Senat der Wirtschaft gegründet. Ziel war es, eine "Business Bridge" zwischen Wien und Belgrad zu bauen.

Glacéhandschuhe

Vučić wird von westlichen Mächten mit Glacéhandschuhen behandelt, weil der Westen die Sorge hat, das serbische Regime könnte andernfalls noch weiter in die Arme Russlands getrieben werden. Der serbische Staatschef nützt diese Situation geschickt aus. Er bekommt von der EU Geld, ohne dass er tatsächlich für EU-Reformen im eigenen Land sorgen muss. Erst in diesem Jahr gewährte die EU Serbien 600 Millionen Euro für den Ausbau der Bahn. Die Zivilgesellschaft, die seit Monaten in Belgrad auf die Straße geht, um gegen die antidemokratischen Zustände zu protestieren, wird von den westlichen Mächten ignoriert.

Obwohl sich das serbische Regime in den Nachbarländern einmischt und immer wieder für Unruhe sorgt – im Kosovo griffen militante Serben Ende Mai Nato-Soldaten an und verletzten 30 von ihnen – wird Vučić nicht kritisiert. Die serbische Regierung hat sich nicht den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen, Geheimdienstchef Alekansdar Vulin steht auch wegen seiner Kreml-Nähe unter US-Sanktionen. Serbien liefert über Umwege aber auch Waffen in die Ukraine. Ein anderer Grund für die Haltung des Westens gegenüber Serbien ist aber wohl auch der Umstand, dass Serbien im Vergleich zu allen anderen fünf Westbalkan-Staaten die stärkste Wirtschaft und die engsten Wirtschaftsbeziehungen zur EU hat. (Adelheid Wölfl, 13.9.2023)